Hähnchenkampf

Der erste Satz
Wo steckt die Henne?, tippte Toni in den Gruppenchat.

Krimi der Woche ∙ N° 15/2025 ∙ Hanspeter Eggenberger

Eigentlich will Toni mit ihrer Freundin Leonie und deren Freund Armand die skrupellose Hähnchenmetzgereiinhaberin Beate Scherer aus Protest gegen die in einem Brandenburger Dorf geplante neue Geflügelfarm mit blutroter Farbe bespritzen. Doch es kommt ein bisschen anders. Die Gockelmasken aus Latex, unter denen sich die veganen Aktivisten bei ihrer „Aktion Hahnenkampf“ verstecken wollen, erweisen sich an diesem sehr heissen Sommertag als keine gute Wahl. Und dann wird beim Warten auf die Scherer vor ihren mühsam durch die Schlitze der Masken spähenden Augen der Fahrer der Scherer von einem plötzlich sozusagen aus dem Nichts aufgetauchten Mann das Genick gebrochen. Der Mann packt den Toten in den Kofferraum von Scherers Mercedes und legt einen Zettel ins Auto. Als die Scherr dann auftaucht und statt ihrem Fahrer den Zettel des Killers vorfindet, blickt sie kurz in den Kofferraum, ruft dann aber nicht etwa die Polizei, sondern steigt ins Auto und fährt davon. Die Klimaaktivisten nehmen mit dem von einem Kumpel geliehenen Transporter mit der auffälligen, mit einem fliegenden Teppich illustrierten Werbeaufschrift „Aladins orientalische Lebensmittel“ die Verfolgung auf.

Furios beginnt das Krimidebüt „Broilerkomplott“ der in Potsdam lebenden Autorin Anna Mai. Und mit reichlich Action, ein bisschen Schalk und wilden Wendungen geht die Geschichte weiter, in der auch ein gestohlener Laster voller Hähnchen eine wichtige Rolles spielt.

Neben den guten Aktivisten aus einer Berliner Wohngemeinschaft und der bösen Gummiadlerhändlerin treten weitere Protagonistinnen und Protagonisten auf. Allen voran die Polizistin Nina Hempel, die hinter dem Fall des toten Chauffeurs, der als Selbstunfallopfer arrangiert gefunden wird, ein Verbrechen wittert. Und dieses könnte ihr helfen, von der uniformierten Provinzpolizistin zur Kripobeamtin aufzusteigen. Doch ihre Vorgesetzten und Kollegen bremsen sie, und zuhause hat sie Beziehungsstress. Dann ist da der mysteriöse Killer, der sich nach der Zahl seiner Opfer derzeit 305 und bald 306 nennt und mafiöse Verbindungen hat. Der Anwalt der Scherer wird schon mal handgreiflich, während der Koch der Dorfkneipe ein Auge auf Toni wirft.

Anna Mai jongliert ziemlich wild mit Versatzstücken des Genres. Dabei serviert sie allerlei Klischees, und einzelne Entwicklungen sind etwas zu absehbar. Eine Stärke sind dagegen Szenen in der Provinz, bei denen das dörfliche Geschehen mitsamt der Lokalpolitik mit trockenem Humor vorgeführt wird. Die brisante Thematik rund um die Fleischproduktion mit ihren vielfältigen Aspekten, die Stoff für einen Ökothriller liefern könnte, bleibt aber, anders als man zu Beginn der Geschichte erwarten könnte, sehr am Rand und wird nicht vertieft.

Wertung: 3,3 / 5

Anna Mai: Broilerkomplott
Ariadne/Argument Verlag, Hamburg 2025. 269 Seiten, 15 Euro/ca. 23 Franken

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Bild: Bildschön Potsdam

Anna Mai

ist das Pseudonym von Anja Hänel, geboren 1966. Sie ist Geschäftsführerin des Landesverbands Brandenburg des Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Potsdam, der sich für eine umweltfreundliche und sozialverträgliche Verkehrsgestaltung einsetzt.

Seit 2017 veröffentlichte sie mehrere Science-fiction-Storys und eine erotische Kurzgeschichte. Sie ist Mitglied des Berliner Autorinnenkollektivs Die Ottilien, das 2024 den Band „Berlin non-stop“ veröffentlich, der einen Thalia Storyteller Award gewann. 2025 erschien von den Ottilien die zweite Anthologie „Auf dem Bürgeramt“. Der Krimi „Broilerkomplott“ ist Anna Mais Romandebüt.

Anja Hänel aka Anna Mai lebt und arbeitet in Potsdam.


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