„Mit den Leuten, die mich tot sehen wollen, könnte man ein Stadion füllen“

Der erste Satz
Adrenalin ist das ultimative Schmerzmittel.

Krimi der Woche ∙ N° 49/2024 ∙ Hanspeter Eggenberger

Mark war jahrelang als Auftragskiller unterwegs. Für „die Agentur“ vor allem im politischen Geschäft im weitesten Sinn. Er arbeitete unter dem Decknamen „fahles Pferd“. Und er galt als der Beste. Manche Bösewichte gaben ihre Pläne schon auf, wenn sie hörten, dass das „fahle Pferd“ auf sie angesetzt sei. Dazwischen hat Mark gerne auch mal direkte Aufträge über eine Website im Darknet übernommen. Denn Töten kann süchtig machen. Die Aufregung. Das Adrenalin. Die Erfolge. Das Dopamin. Da ist der Ausstieg schwierig. Darum hat sich Mark einer Selbsthilfeorganisation nach dem Muster der Anonymen Alkoholiker angeschlossen. „Assassins Anonymous“ heisst das Grüppchen von – zumindest angeblichen – ausstiegswilligen Mördern. Und so heisst der ziemlich schrille, aber auch komische neue Roman des US-Autors Rob Hart.

Nach einem Meeting der Killer-AA im Keller einer obskuren Kirche in New York ist Mark am Aufräumen. Da wird er von einem grossen, starken Mann mit einem Messer überfallen. Da er nicht mehr töten will, ist seine Gegenwehr etwas eingeschränkt. Doch er überlebt die Messerattacke. Und er fragt sich, wie der Angreifer, bei dem es sich offenbar um einen Russen handelte, ihn gefunden hat. Und wer ihn geschickt hat. Er hat da reichlich Auswahl: „Mit den Leuten, die mich tot sehen wollen, könnte man ein Stadion füllen.“ Dabei hat Mark, wie sein Auftraggeber argumentiert und wie er selbst dachte, Menschen getötet, um andere zu retten. Inzwischen sieht er, dass diese Gleichung nicht wirklich aufgeht: „Selbst wenn ich Leben gerettet habe, dann nur theoretisch. Die einzige Zahl, auf die es ankommt, ist die harte Zahl der Menschen, die ich getötet habe.“

Die Suche nach seinen Widersachern entwickelt sich zu einer rasanten Geschichte, in der Mark um die halbe Welt reist, sich durch Agenten- und Verbrechermilieus wühlt und dabei mehr als nur ein bisschen Prügel kassiert. Der Plot ist originell konzipiert, die Story nimmt ein paar wirklich unerwartete (aber nicht absurde) Wendungen, ist witzig und unterhaltsam, aber nicht ohne Tiefsinn. Die Handlung ist actionreich, zuweilen ganz schön brutal. Rob Hart erzählt hart, aber auch mit trockenem Humor, macht sich nebenbei ein bisschen über Auftragskillerfilme à la „John Wick“ lustig. Und brilliert mit knackigen Dialogen. Zum Beispiel wenn sein Chef bei der „Agentur“ mit Mark spricht: „»Schlussendlich braucht die Welt schlechte Menschen, um andere schlechte Menschen in Schach zu halten.« – »Hast du gerade versucht, mich mit einem Zitat aus True Detective zu beeindrucken!« Ein wenig verlegen hält er inne. »Mist, du hast das gesehen?«“

Oder im Gespräch mit der Ärztin, die ihn schon früher und jetzt wieder zusammengeflickt hat: „»Wenn überhaupt, dann geht die Rechnung für dich als jemanden, der Leben rettet, zu deinen Gunsten aus.« – »Aber ich habe ein paar ziemlich üble Leute gerettet.« – »Dann bist du neutral, wie die Schweiz. Ich habe kein Interesse, gegen die Schweiz in den Krieg zu ziehen.«“

 

Wertung: 4,1 / 5

Rob Hart: Assassins Anonymous
(Original: Assassins Anonymous. G.P. Putnam's Sons, New York 2024)
Aus dem Englischen von Barbara Röhl
Lübbe, Köln 2024. 333 Seiten, 12,90 Euro/ca. 19 Franken

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Bild: ©Rob Hart

Rob Hart,

geboren 1982 im New Yorker Stadtteil Staten Island, besuchte die Monsignor Farrell High School in Staten Island. An der State University of New York at Purchase, meist als Purchase College bezeichnet, in Harrison in Westchester County, New York, schloss er im Jahr 2000 in Journalismus ab.

Er war zunächst als Reporter für die Zeitung „Staten Island Advance“ tätig, dann war er Kommunikationschef des demokratischen New Yorker Politikers Domenic Recchia und Commissioner der Stadt New York.

Er war Herausgeber bei MysteriousPress.com, wo er Kriminalliteratur lektorierter und publizierte; zurzeit ist er „Class Director“ bei LitReactor, einem Portal für Autor:innen und Leser:innen. In Zeitschriften und Online-Magazinen erschienen zahlreiche Kurzgeschichten von ihm.

2015 bis 2018 veröffentlichte er eine sechs Bände umfassende Romanreihe um den Amateurdetektiv Ash McKenna. 2019 erschien „The Warehouse“ (Deutsch: „Der Store“, 2019); Regisseur Rob Howard erwarb die Filmrechte. Es folgten „Blood Oath“ (2022) und „The Paradox Hotel“ (2022; Deutsch: „Paradox Hotel“, 2022). Auch von „Assassins Anonymous“ (2024) wurden die Filmrechte optioniert. In den USA ist ein zweiter Band um die Anonymen Killer für Juli 2025 angekündigt: „The Medusa Protocol“.

Rob Hart leben in Staten Island, New York City.


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