Eine rotzig-motzige Detektivin
Der erste Satz
Ich bin fürs Stillsitzen nicht gemacht.
Krimi der Woche ∙ N° 27/2024 ∙ Hanspeter Eggenberger
Hannah Abram ist mit sich und der Welt nicht im Reinen. Sie motzt und schimpft meistens, ist rotzig und oft unfreundlich. Sie ist „Die Schnellimbissdetektivin“, die Titelfigur und Icherzählerin des neuen Romans der britischen Autorin Liza Cody. Als Detektivin für die kleinen Leute, die mit Fällen zu ihr kommen, die der Polizei am Arsch vorbeigehen, zeigt sie entgegen ihrer rauen Schale doch auch Mitgefühl. Im Hauptjob aber ist sie im Sandwich Shack tätig, das „am Rand des Volksparks hockt wie eine hässliche Kröte“. Da zofft sie sich ständig mit ihrem Chef Digby. Und überlegt sich schon mal „warum ich in dem Jahr, in dem ich jetzt für ihn arbeite, nicht auf vierzig verschiedene Arten gekillt habe. Ja, er ist ein sexistisches Arschloch, ein schrecklicher Arbeitgeber und ein sarkastischer, herzloser, pfennigfuchsender Schweinehund. Aber niemand ist vollkommen. Würdet ihr ihn fragen, würde er sagen, ich bin genauso unausstehlich wie er. Und er hätte recht. Das Leben hat mich dazu gemacht.“
Das bisherige Leben hat es in der Tat nicht gut gemeint mit der Endzwanzigerin. Als Teenager musste sie arbeiten gehen, damit die Eltern dem Sohn ein Studium finanzieren konnten. Sie hat dann dafür gebüffelt, Polizistin zu werden. Doch kaum bei der Metropolitan Police, ist sie ins Visier sexistischer Kollegen geraten. Und als sie ihren Sergeant in einen Kanal beförderte, war die Karriere bei der Polizei zu Ende, bevor sie richtig begonnen hatte.
Ihre polizeilichen Fähigkeiten widmet sie jetzt verschwundenen Hunden und geklauten Fahrrädern, untreuen Ehemännern und geplünderten Familiengärten. Damit befasst sie sich neben dem Brutzeln von Fastfood. Die Aufträge beginnen sich zu häufen. Und werden brisanter. Für einen seltsamen jungen Mann macht sie sich auf die Suche nach dessen Halbschwester, die verschwunden ist, deren Stimme aber ab Band bei Telefonanrufen mit betrügerischen Absichten auftaucht. Und für einen netten älteren Herrn, der sich angeblich nur vergewissern will, dass es ihr gut geht, sucht sie dessen weggelaufene Ehefrau.
Liza Cody führt uns in ihrem neuen Roman noch einmal durch das Themenpanoptikum, das ihr ganzes Werk prägt. Dabei geht es ganz grundsätzlich um die Sorgen und Nöte der kleinen Leute. Und im Besonderen um Frauen, die vor Männern geschützt werden müssen. Dabei nimmt die inzwischen achtzigjährige Autorin auch gleich eine Reihe von aktuellen Übeln mit, etwa die allgegenwärtigen digitalen Betrugsversuche. Insgesamt ergibt das ein ziemliches Kuddelmuddel, das über weite Strecken aber witzig und unterhaltsam ist.
Wertung: 3,8 / 5
Liza Cody: Die Schnellimbissdetektivin
(Original: The Short-Order Detective. 2024; auf Englisch bisher nicht erschienen)
Aus dem Englischen von Iris Konopik
Ariadne / Argument Verlag, Hamburg 2024, 351 Seiten, 18 Euro/ca. 27 Franken
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Liza Cody
ist das Pseudonym von Liza Nassim. Sie wurde 1944 in London geboren, wo sie laut eigenen Angaben „ein besonders schreckliches Mädcheninternat“ besuchte. Sie studierte dann Kunst an der London Art School und an der Royal Academy of the Arts. Danach arbeitete sie unter anderem als Roadie „für eine der schlechtesten Bands in London“, Grafikerin, Möbeldesignerin, Coiffeurin, Putzfrau und sie kolorierte Wachsfiguren bei Madame Tussauds.
Seit 1980 veröffentlichte sie mehr als 15 Romane. Mit der Reihe um die Londoner Privatdetektivin Anna Lee (sechs Bände von 1980 bis 1991) gehörte sie zusammen mit den Amerikanerinnen Sara Paretsky und Sue Grafton zu den Pionierinnen des feministischen Hardboiled-Krimis. Ihre Bücher wurden schon früh in verschiedene Sprachen, auch ins Deutsche übersetzt, und die Anna-Lee-Reihe war Vorlage für eine britische TV-Serie („Anna Lee“, 1992/1993). Es folgte eine dreiteilige Reihe um die Wrestlerin Eva Wylie (1992 bis 1997). Seither veröffentlichte sie eine Reihe von Einzelwerken. Seit 2014 erscheinen ihre Werke auf Deutsch in der Kriminalliteratur von Frauen gewidmeten „Abteilung“ Ariadne des Hamburger Argument Verlags, der sich sonst vor allem mit linken Theorien befasst.
Liza Cody wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, in den letzten Jahren vor allem im deutschen Sprachraum. Sie lebt in der südwestenglischen Stadt Bath in der Nähe ihrer Tochter und ihrer zwei Enkelkinder.