Gangster im wilden Westen Australiens
Der erste Satz
Blake Tracker band seine Dunlop Volleys mit grünen, aus einem Kurzwarenladen gestohlenen Schnürsenkeln; die Doppelschleife hatte ihm sein Vater beigebracht.
Krimi der Woche ∙ N° 04/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger
Seit er bei der Polizei rausgeschmissen wurde, hat sich Frank Swann als Privatdetektiv mehr schlecht und recht über die Runden gebracht. Um ein sicheres Einkommen zu haben, nimmt er das Jobangebot eines Jugendfreundes, der die rechte Hand des neuen Premiers des Bundesstaates Western Australia ist, sofort an. Als Sicherheitsberater des Premiers checkt er nun nicht nur dessen Büro regelmässig nach Wanzen und anderen Abhöreinrichtungen, sondern ist auch als sogenannter Problemlöser tätig.
Und Probleme gibt es Anfang der Achtzigerjahre in Perth zuhauf. Vom wilden Vater des Premiers, den es ruhig zu stellen gilt, über rivalisierende Motorradbanden, einen korrupten Polizeiapparat, in die Kriminalität abgerutschte Indigene und skrupellosen Miethaien bis zu dubiosen Geschäftemachern. Zu letzteren gesellen sich gerade die meisten lokalen Gangster, die „raus aus dem Drogengeschäft und dem Glückspiel“ wollen und „stattdessen auf Wirtschaftskriminalität umsatteln, wo wesentlich mehr Geld zu holen war“. Es gibt also einiges aufzuräumen.
„Das grosse Aufräumen“ heisst der dritte Frank-Swann-Roman des in Fremantle, einem Vorort von Perth, lebenden Autors David Whish-Wilson. Man muss die Vorgänger nicht gelesen haben, um diesen Hardboiled-Krimi geniessen zu können. Der komplexe Plot ist actionreich, spannend, knallhart, witzig und zeigt gleichzeitig dunkle Seiten der Politik. Der neue Premier, angetreten mit hehren Forderungen, erweist sich schnell als übler Mischler mit Beziehungen, die weit in die lokale Unterwelt und die halbseidene Geschäftswelt reichen. Gibt es Probleme, muss Swann als Ausputzer ran. Dabei stellt er bald fest, dass bei einem grossen Bauprojekt der neuen Regierung diverse Gangster ihre Hände im Spiel haben.
Neben Frank Swann hat „Das grosse Aufräumen“ einen zweiten Hauptprotagonisten: die Stadt Perth, die „abgelegenste Grossstadt der Welt“. Wer hier mit dem Auto verschwinden will, hat „zweitausend Kilometer Weizenstoppeln und Wüste vor sich, ehe sie in die nächste Stadt kamen“. Das erleichtert die Suche nach Flüchtigen
Swann rettet sich mit Ach und Krach und auch mal mit harten Fäusten aus manch einer schwierigen Situation. Dass er sich dabei schon mal von Kriminellen unterstützen lässt, stört ihn weniger als der üble Sumpf von Politik und Business. Und dass er handfest bedroht wird. Frank Swann hat zunehmend das Gefühl, auf der falschen Seite zu stehen, und Schuldgefühle plagen ihn. Einmal mehr sieht er sich von seinem „alten Rätsel“ gefordert: „Wie konnte er mit Furcht, aber ohne Scham leben?“
Wertung: 4,2 / 5
David Whish-Wilson: Das grosse Aufräumen
(Original: Old Scores, Fremantle Press, Fremantle, Western Australia 2016)
Aus dem Englischen von Sven Koch
Suhrkamp, Berlin 2020 2021. 329 Seiten, 10 Euro/ca. 16 Franken
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Bild: Fremantle Press
David Whish-Wilson,
geboren 1966 in Newcastle im australischen New South Wales, ist in Singapur, Victoria und Western Australia aufgewachsen. Mit 18 verliess er Australien für einen zweimonatigen Surf-Trip, der dann aber dazu führte, dass er ein Jahrzehnt in Europa, Afrika und Asien lebte, wo er nach eigenen Angaben als „Barkeeper, Schauspieler, Strassenverkäufer, Hilfsarbeiter, Kammerjäger, Fabrikarbeiter, Gärtner, Büroangestellter, Reiseberater, Lehrer und Versuchskaninchen für Medikamente“ tätig war. In dieser Zeit begann er, Kurzgeschichten zu veröffentlichen.
Sein erster Roman, „The Summons“, erschien 2006. Mit dem zweiten, „Line of Sight“ (2010; Deutsch: „Die Ratten von Perth“, 2017) begann der die Serie um den Ex-Polizisten Frank Swann, die er mit „Zero at the Bone“ (2013; Deutsch: „Die Gruben von Perth“, 2018), „Old Scores“ (2016; Deutsch: „Das grosse Aufräumen“, 2020; alle deutschen Ausgaben bei Suhrkamp) und „Shore Leave“ (2020) fortsetzte. Dazwischen veröffentlichte er drei weitere Bücher, darunter eines über die Stadt Perth.
Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Fremantle, einem Vorort von Perth, im Bundesstaat Western Australia, wo er an der Curtin University Kreatives Schreiben unterrichtet.