Grausamer Mord im Outback

Der erste Satz
Jetzt wurde sie vorwärtsgeschoben.

Krimi der Woche ∙ N° 12/2023 ∙ Hanspeter Eggenberger

Eine alte Frau, die wie immer frühmorgens unterwegs ist, um aus dem Bündel vor dem Kiosk eine Zeitung zu klauen, stösst beim Sportstadion auf eine grausam zugerichtete Leiche: Die junge Frau wurde offenbar gesteinigt. Die Nachricht vom Mord an der allseits beliebten Lehrerin macht schnell die Runde in der Kleinstadt Cobb irgendwo im australischen Outback. Rasch ist den Leuten klar, dass der Täter nur ein muslimischer Flüchtling aus dem örtlichen Internierungslager sein muss. Und schon gibt es einen Brandanschlag auf das Lager. Aus der Grossstadt wird Detective Sergeant Giorgos „George“ Manolis in das Kaff geschickt, in dem er als Kind gelebt hatte, um zu ermitteln, da die lokale Polizei dazu nicht fähig ist.

Manolis ist griechischstämmiger Australier wie der Autor des Krimis: „Steinigung“ ist das Romandebüt des 59-jährigen Peter Papathanasiou, studierter Strafrechtler und Genetik-Forscher, der schon als Kind eigentlich Schriftsteller werden wollte.

„In Cobb hält man eigentlich nur zum Tanken“, wird der Schauplatz einmal beschrieben. „Oder um nach dem Weg aus Cobb raus zu fragen.“ Der Ort, den einst Touristen besuchten, ist heruntergekommen. Wer kann, verlässt die Gegend. Wer bleiben muss, trinkt oder ist drogensüchtig. Nachts signalisieren die Drogenhändler mit knallendem Feuerwerk ihrer Kundschaft die Ankunft einer neuen Lieferung. Durch das ohnehin gespaltene Kaff – auf der einen Seite die Indigenen, auf der anderen die Weissen – hat das Asylbewerberlager einen zusätzlichen Graben aufgerissen. Den Gegnern kommt der Mord gerade recht.

Manolis fühlt sich in seiner alten Heimat nicht willkommen. Der versoffene Chef der lokalen Polizei foutiert sich um den „Grossstadtfuzzi“. In der ersten Nacht wird sein Auto abgefackelt, ein hübscher Oldtimer. Die bisherige Ermittlung im Mordfall ist eine Katastrophe. Als ihm ein muslimischer Asylbewerber als Täter präsentiert wird, merkt er rasch, dass da etwas faul ist.

„Steinigung“ ist ein beeindruckendes Debüt. Ein harter Outback-Noir der tiefschwarzen Art. Es geht nicht nur um ein abscheuliches Verbrechen und um eine Horde von Säufern, sondern vor allem auch um Rassismus und Sexismus, um Korruption und um eine menschenverachtende Asylpolitik, um Misshandlung und sexuelle Ausbeutung von Flüchtlingen. Und um den Verfall ländlicher Orte abseits der grossen Städte, in denen Kängurus zur Landplage geworden sind.

George Manolis ist ein interessanter Protagonist. Er hadert mit seiner gescheiterten Ehe, grübelt seinen griechischen Wurzeln nach, ist Vegetarier und versucht das Richtige zu tun, was jedoch nicht immer einfach ist. Seine Geschichte ist noch längst nicht erzählt. In Australien ist inzwischen der zweite Roman mit dem Detektiv erschienen.

 .

Wertung: 4,2 / 5

Peter Papathanasiou: Steinigung
(Original: The Stoning. Transit Lounge, Melbourne 2021)
Aus dem Englischen von Sven Koch
Polar, Stuttgart 2023. 368 Seiten, 17 Euro/ca. 25 Franken

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Bild: Rowena Hains

Peter Papathanasiou,

geboren 1974 in der nordgriechischen Kleinstadt Florina, wurde als Baby von einer griechisch-australischen Familie adoptiert und wuchs in der Region von Canberra auf. An der Australian National University (ANU) in Canberra schloss er ein Studium in Rechtswissenschaften mit Spezialisierung auf Strafrecht mit einem Bachelor ab. Zudem schloss er an der ANU auch mit einem Doktor der Philosophie in biomedizinischen Wissenschaften ab. An der City University in London machte er den Master in Kreativem Schreiben.

Mit 25 während des Studiums fand er heraus, dass seine biologische Mutter die Frau war, die er zuvor als Tante kannte. Dabei war die Adoptivmutter in Wirklichkeit seine Tante: die Schwester seiner leiblichen Mutter. Er reiste dann nach Griechenland, wo er auch seine beiden älteren Brüder kennenlernte. Mit seiner Familiengeschichte setzte er sich in seinem ersten Buch auseinander, das zunächst unter dem Titel „Little One“ (2019) erschien, in späteren Auflagen mit dem Titel „Son of Mine“.

„The Stoning“ (2021), jetzt auf Deutsch erschienen, ist sein erster Roman. 2022 folgte „The Invisible“, ein weiterer Roman um den griechischstämmigen Detective Sergeant Giorgos „George“ Manolis.

Peter Papathanasiou arbeitete in den USA, in Grossbritannien und in Australien in der Genetik-Forschung. Er lebt mit seiner Frau Jane und drei Söhnen in Canberra.


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