Tausend tolle Teufel tanzen im Treibsand Tango

Der erste Satz
„Bist du irre, du kannst dem Typen doch nicht einfach eins über den Schädel ziehen!“

Krimi der Woche ∙ N° 37/2022 ∙ Hanspeter Eggenberger

Es war ein Zufallstreffer für die beiden rebellischen Gymnasiasten. Spät in der Nacht zum 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, stiessen sie auf einen Betrunkenen, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie erkannten ihn als Chef einer Basler Privatbank. Der kam vom traditionellen Nationalfeiertagsbesäufnis mit seinen Verbindungskumpeln. Kurz entschlossen packten sie ihn und verfrachteten ihn ihren Übungskeller. Mit dieser Entführung würden sie die Strafverfahren gegen Klimajugendliche, die Bankeingänge blockiert hatten, beenden, dachten sie in ihrem Übermut.

So beginnt der neue Kriminalroman des (in München geborenen) Schweizer Autors Wolfgang Bortlik. Der Titel „Basler Gleichstand“ spielt auf das tödliche Unentschieden an, zu dem sich der etwas forcierte Bubenstreich auswächst. Der erste Tote, ein Grüner, der die Klimajugend unterstützte, wird erschossen am Rhein gefunden. Bei den beiden Entführern weicht die Euphorie rasch wachsendem Muffensausen. Sie deponieren ihr Opfer weitgehend unversehrt im Grünen. Doch als er gefunden wird, ist er tot. Erschossen. „1:1“ ist bald auf Wände gesprayt zu lesen. „Es bedeutete möglicherweise tatsächlich, dass einer der Linken und einer der Rechten tot war. Ein Klimaschützer hinüber, ein Klimasünder ebenso. Unentschieden.“

Nicht nur die Aktionen der Klimajugend, sondern auch die Corona-Lockdown-Nachwehen sorgen für einen zeitgemässen Background der Geschichte, mit der sich Kriminalkommissär Gsöllpointner und sein Spezi Melchior Fischer herumschlagen. Diese bietet einen ordentlichen Whodunit-Plot, der die eine und andere unerwartete Wendung nimmt. Doch es ist nicht der eigentliche Fall um die beiden Leichen, der den Reiz dieses Romans ausmacht. Es ist zum einen der lustvolle Umgang mit der Sprache, der wesentlich zum Lesevergnügen beiträgt. Da wird an Gymnasiastenpartys „allerhand verhandelt, verbandelt und auch verschandelt“. Und in der 1.-August-Nacht würde es „fiepen, pfeifen, krawettern, krachen, knallen und satanen, als ob tausend tolle Teufel Tango im Treibsand tanzten“. Zum anderen sind es meist beiläufige Bezüge zu Politik und Popkultur. Der Autor ist belesen, historisch bewandert, kennt sich in Musik und Film auch abseits des Mainstreams aus. Und er teilt gerne Seitenhiebe aus. Etwa wenn Fischer einer Schmeißfliege mit einem Schweizer Roman zu Leibe rücken will: „Wobei diese Seelenergüsse bei knappen 148 Seiten ja immer zwischen dicke Umschlagpappe geklebt waren und daher zu wenig biegsam und flexibel waren für die Fliegenjagd. Zu nichts konnte man das Zeug gebrauchen.“

Wertung: 3,3 / 5

Wolfgang Bortlik: Basler Gleichstand
Gmeiner, Messkirch 2022. 251 Seiten, 14 Euro/ca. 22 Franken

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Bild: Rolf Spriessler

Wolfgang Bortlik,

geboren 1952 in München, kam mit seiner Familie als 13-Jähriger in die tiefe Schweizer Provinz: in das obere Wynental im Aargau. Er studierte, ohne Abschluss, Geschichte, Soziologie und Publizistik an den Universitäten Zürich und München. Danach arbeitete er im sogenannten Zwischenbuchhandel. In den 1980ern gehörte er zu den führenden Figuren in der Aarauer Underground-Kulturszene. Er war Sänger und Schlagzeuger bei verschiedenen Bands, darunter die Kult-Punk-Combo Bermuda Idiots, gab die anarchistische Zeitschrift „Alpenzeiger“ heraus und betrieb eine kleine Buchhandlung und Galerie. 1981 war er Mitgründer des Zürcher Verlags Edition Moderne, dessen literarisches Programm er verantwortete; heute gibt der Verlag ausschliesslich Comics heraus.

Bortlik schrieb nicht nur für den „Alpenzeiger“, sondern im Lauf der Jahre auch für zahlreiche weitere Medien vom Comic-Magazin „Strapazin“ bis zu „20 Minuten“. Für die „NZZ am Sonntag“ schrieb er während mehreren Jahren wöchentlich ein Sportgedicht. 1998 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Wurst & Spiele“ (Nautilus, Hamburg). Nicht nur da war Fussball ein nicht unwichtiges Thema. Diesem Sport widmete Bortlik mehrere Publikationen, darunter der Gedichtband „Am Ball ist immer der Erste“ (Limmat Verlag, Zürich 2006) und das Sachbuch „Hopp Schwiiz. Fussball in der Schweiz oder die Kunst der ehrenvollen Niederlage“ (Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008). „Basler Gleichstand“ ist der fünfte in Basel spielende Krimi und Bortliks zehnter Roman.

Bortlik war 1993 von Aarau nach Basel gezogen, wo er unter anderem als Hausmann, Autor, Buchhändler und Fussballtrainer tätig war. Heute lebt er in Riehen bei Basel.


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