„Ein widerlicher Krimineller mit der Gehirnstruktur eines gefährlichen Psychopathen“
Der erste Satz
Sie sollen ihn während des Sonntagsgottesdienstes holen.
Krimi der Woche ∙ N° 03/2025 ∙ Hanspeter Eggenberger
Der Nigerianer Philip Taiwo, Dr. Taiwo, ist investigativer Psychologe. Er hat lange in den USA gelebt, war mehr als acht Jahre bei der Dienstaufsichtsbehörde des San Francisco Police Departement tätig. Die Berufung seiner Frau, einer brillanten Juristin, nach Lagos liess die Familie mit ihren drei Kindern in die Heimat zurückkehren. Taiwo unterrichtet da nun an der Polizeiakademie. Und ermittelt.
Nach „Lightseekers“ ist Taiwo nun in „Gaslight“ die Hauptfigur, dem zweiten Kriminalroman von Femi Kayode. Der Nigerianer hat unter anderem klinische Psychologie studiert, lebte lange in den USA und arbeitet seit vielen Jahren in der Werbebranche in Namibia. Von dort aus wirft er seinen kritischen Blick auf sein Heimatland und erzählt uns in seinen Romanen davon. In seinem ersten ging es um einen spektakulären Fall von Massengewalt gegen drei Studenten. In „Gaslight“ steht eine Megachurch, von denen es in der Millionenmetropole Lagos – die Metropolregion hat etwa 24 Millionen Einwohner – einige gibt, im Mittelpunkt.
Taiwos Zwillingsschwester gehört dieser Kirche an und arbeitet für sie. Dank ihrer Vermittlung können die Kirchenoberen den Ermittler, der durch den Studentenfall in seiner alten Heimat bekannt geworden war, engagieren. Er soll Bishop Dawodu entlasten. Das Oberhaupt der Kirche ist verhaftet worden; ihm wird die Ermordung seiner jungen Frau vorgeworfen. Wobei die Frau bisher „nur“ vermisst wird. «Feinde» seien am Werk, erklären die Kirchenältesten Taiwo, „unser Gott wird sie strafen“. Taiwo, der von solchen kommerziell durchorganisierten Glaubensgemeinschaften wenig hält, sieht es nüchtern: „Die Ironie des Ganzen – jemanden für die Suche nach Schuldigen zu engagieren, um diese dann einem gütigen Gott zur Bestrafung zu überantworten – scheint ihnen entgangen zu sein.“
Dennoch macht er sich an der Arbeit. Die Blutspuren im Haus des „Bischofs“ erkennt der erfahrene Forensiker auf Anhieb als Fälschung. Doch er stösst hinter der strahlenden Fassade der Kirche auf eine Welt voller Kriminalität, Korruption und Missbrauch. Und darin sind weite Kreise verwickelt. Schon bald sieht Taiwo sein Leben und seine Familie bedroht. Hinter freundlicher Frömmigkeit versteckt sich „ein widerlicher Krimineller mit der Moral eines streunenden Katers und der Gehirnstruktur eines gefährlichen Psychopathen“.
In der spannenden und auch actionreichen Geschichte zeigt Kayode, wie in dieser Kirche „die absolute Macht, die die Kirchenoberen sich anmassen, fast unweigerlich zu Missbrauch“ führt. „Die Korruption ist die unvermeidliche Folge von blindem Vertrauen in eine Kirchenleitung, die von niemandem zur Rechenschaft gezogen wird.“ Dass das nicht nur im fernen Afrika so ist, sondern überall im Geschäft mit dem Glauben eine düstere Begleiterscheinung ist, wissen wir aus den Nachrichten.
Anschaulich sind nicht nur Kayodes Schilderungen aus dem Inneren der Kirche, sondern auch die Einblicke in das Leben in der Grossstadt im bevölkerungsreichsten Staat Afrikas. Da wird etwa Taiwos Teenagertochter von Mitschülerinnen gemobbt, weil ihre Haut „zu dunkel“ sei. In Amerika Schwarz zu sein, sei schon schwer genug gewesen, enerviert sich die Mutter, doch nun seien sie „hier, wo wir uns zu Hause fühlen sollten, weil wir alle Schwarze sind, und es ist genau das Gleiche“.
Wertung: 4,3 / 5
Femi Kayode: Gaslight
(Original: Gaslight. Raven Books, London 2023)
Aus dem Englischen von Andreas Jäger
btb/Penguin Random House, München 2024. 448 Seiten, 16 Euro/ca. 24 Franken
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Femi Kayode,
geboren (Jahrgang nicht bekannt) und aufgewachsen in Lagos, Nigeria, studierte von 1988 bis 1998 an der University of Ibadan Tierzuchtwissenschaft und Klinische Psychologie. Als Packard-Stipendiat in Film und Medien war er an der University of Southern California in Los Angeles, als Gates-Packard-Stipendiat in International Health an der University of Washington in Seattle. Seit Ende 2004 arbeitet er in Windhoek, Namibia, in leitender Position in einer Werbeagentur, die zum weltweit tätigen französischen Kommunikationskonzern Publicis Groupe gehört.
Er hat mehrere Vorlagen und Drehbücher für Film und Fernsehen geschrieben. Seinen ersten Roman „Lightseekers“, der 2022 auf Deutsch erschienen ist, schrieb er im Rahmen des renommierten Studiengangs für Kreatives Schreiben an der University of East Anglia im englischen Norwich. Das Master-Studium schloss er 2017 mit Auszeichnung ab. „Gaslight“ ist sein zweiter Roman mit dem investigativen Psychologen Philip Taiwo.
Femi Kayode lebt mit seiner Frau Nneka und zwei Söhnen im Teenager-Alter, Simi und Tomi, in Windhoek, der Hauptstadt von Namibia.