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Tage der Rache

Der erste Satz
Man nennt ihn AJ.

Krimi der Woche ∙ N° 32/2024 ∙ Hanspeter Eggenberger

Sonja Jacobs ist ehemalige Polizistin. Ihren ehemaligen Kollegen traut sie nicht über den Weg. Ihr Mann, der Polizeioffizier Andre Jacob, den alle AJ nennen, ist in Kapstadt erschossen worden. Die Angaben der Polizei zum Mord passen nicht zu dem, was AJ seiner Frau gesagt hatte, was er in der Nacht seines Todes vorhatte. Sonja engagiert den privaten Ermittler Fish Pescado, um Licht ins Dunkel zu bringen.

„Hitman“ heisst der fünfte Pescado-Roman des südafrikanischen Bestsellerautors Mike Nicol. Fish Pescado – der natürlich mit Vornamen nicht wirklich Fish heisst, sondern Bartolomeo, doch so nennt ihn nur seine Mutter – ist begeisterter Surfer, Privatdetektiv und Cannabisdealer. Zurzeit bangt er um seine Lebensgefährtin Vicki Kahn, Anwältin und ehemalige Agentin der State Security Agency (wobei „ehemalige“ nicht ganz sicher ist), die nach einem tätlichen Angriff im Koma im Spital liegt.

Der Fall AJ führt Fish tief in die düsteren Bereiche von Politik, Geheimdiensten und Polizei in Südafrika und weit zurück in der Geschichte des Landes. Denn AJ war nicht nur der brave, engagierte Polizist, den seine Frau kannte. Er gehörte früher einem Sonderkommando an, das für das Apartheidsregime politische Morde beging. Dabei war er in so grosse Fälle wie der Ermordung des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme 1986 in Stockholm verwickelt.

Fish stösst bei seinen Recherchen, bei denen er später von der dem Tod nochmals von der Schippe gesprungenen Vicki unterstützt wird, auf immer mehr Widerstand. Und er und Vicki werden mehr oder weniger unverhohlen bedroht. AJs Tod steht in Zusammenhang mit einem grossen Aufräumen, bei dem Personen, die gewisse Staatsgeheimnisse kennen, todsicher zum Schweigen gebracht werden. Oder, wie es Vickis ehemalige Chefin beim Geheimdienst ausdrückt: „In der Geburtsstunde unserer Demokratie mussten wir Folterknechten und Mördern Amnestie gewähren. Beinahe ein Vierteljahrhundert lang haben sie ein angenehmes Leben geführt. Jetzt sind die Tage der Rache gekommen.“

Mit viel Drive und Action, mit Härte und Witz treibt Nicol die einmal mehr höchst komplexe und raffiniert geplottete Geschichte gnadenlos voran. Dabei zeigt er ein Südafrika, dessen Exponenten in Politik und in den Sicherheitsbereichen tief in Sümpfen von Korruption und Manipulation stecken. Diese Sümpfe trockenzulegen, scheint nicht möglich zu sein, denn von denen, die etwas zu sagen haben, scheint kaum jemand daran interessiert zu sein. Zu viele profitieren davon. Und wer sich quer stellt, kann sich seines Lebens nicht mehr sicher sein.

Wertung: 4,5 / 5

Mike Nicol: Hitman
(Original: Hammerman – A Walking Shadow. Umuzi, Kapstadt 2022)
Aus dem Englischen von Meredith Barth
btb, München 2024. 480 Seiten, 14 Euro/ca. 20 Franken

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Bild: Guido Schwarz/btb

Mike Nicol,

geboren 1951 in Kapstadt, studierte an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg und arbeitete als Journalist. Als Schriftsteller veröffentlichte er 1978 einen Gedichtband, es folgten mehrere Romane und Kinderbücher sowie Sachbücher, darunter etwa „A Good-Looking Corpse, The World of Drum – Jazz and Gangsters, Hope and Defiance in the Townships of South Africa“ (1991), die autorisierte Biografie „Nelson Mandela: the Authorised Portrait“ (2006; Deutsch: „Mandela: Das Porträt“) sowie Bücher über John Lennon und den Dalai Lama. In den 1990er-Jahren erschienen drei Romane von Nicol, keine Krimis, bei Rowohlt auf Deutsch.

Als Krimiautor machte er seit 2008 mit der virtuosen „Rache-Trilogie“ („Payback“, „Killer Country“, „Black Heart“; alle drei unter diesen Titeln auch auf Deutsch) von sich reden. „Of Cops & Robbers“ (2013, Deutsch 2015 als „Bad Cop“) war der erste Band der Kapstadt-Serie mit Fish Pescadp, die er mit „Korrupt“ (2018, Original: „Agents of the State“), „Sleeper“(2019) und „Das Schlupfloch“ (2021, Original: „The Rabbit Hole“) fortsetzte; dazwischen erschien zudem der Thriller „Power Play“ (alle bei btb). „Hitman“ (Original: „Hammerman“) ist der fünfte Band der Reihe.

Mike Nicol verbrachte 1997 ein Jahr als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Berlin und erhielt 2002 eine Gastprofessur als „Poet in Residence“ an der Universität-Gesamthochschule Essen. Er zählt mit Deon Meyer und Roger Smith zu den bedeutendsten Thriller-Autoren Südafrikas. Er lebt er als freier Schriftsteller und Journalist in Kapstadt und unterrichtet an der dortigen Universität.


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