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Killt ein Cop die Drogendealer in Dallas?

Der erste Satz
Meine polnische Grossmutter vertraute bis ans Ende ihrer Tage niemandem, der in der Dunkelheit lächelte oder sich im Winter weiss kleidete.

Krimi der Woche ∙ N° 10/2023 ∙ Hanspeter Eggenberger

Ein Mörder geht um in Dallas. Er killt Drogendealer. Ein Krieg unter Banden, wird zuerst vermutet. Doch es bleiben Dealer ganz verschiedener Gangs auf der Strecke. El Cuchillo sei in der Stadt, „das Messer“, der berüchtigte Vollstreckter eines mexikanischen Kartells, erfahren die Drogenfahnder. Doch dann kommt das Gerücht auf, ein Cop sei der Killer. Mögliche Zeugen dafür überleben nicht lange genug, um Auskunft geben zu können.

Drogenfahnderin Betty Rhyzyk, eben zurück im Job, nachdem sie sich von einer Entführung und schweren Verletzung erholen musste, wird unsicher, welchen ihrer Kollegen sie noch vertrauen kann. Sie will nichts anderes als auf die Strasse, um der Mordserie nachzugehen. Aber Maclin, der neue Chef des Drogendezernats, verknurrt sie zu Bürodienst. Doch sich an Anweisungen zu halten, gehört nicht zu Bettys Stärken.

„Der Weg ins Feuer“ ist der zweite von drei Romanen um Betty Rhyzyk der texanischen Autorin Kathleen Kent. Betty kommt aus einer aus Polen stammenden Polizistenfamilie in Brooklyn. Sie ist gross, rothaarig und nicht aufs Maul gefallen. Nach Dallas hat sie die Liebe gebracht. Ihre Partnerin Jackie ist Ärztin in einem Spital.

Schon der erste Roman mit Betty, „Die Tote mit der roten Strähne“, gefiel nicht zuletzt dank trockenem Humor und reichlich Action. „Der Weg ins Feuer“ punktet in den gleichen Bereichen, bietet aber noch viel mehr. Dramatisch und bewegend bettet Kent die Auswirkungen der Posttraumatischen Belastungsstörung, unter der Betty leidet, was sie aber nicht wahrhaben will, in die sonst schon reichlich dramatische Geschichte ein. Betroffen davon ist nicht nur Betty, mit ihrem Verhalten brüskiert sie auch die Menschen, dir ihr am nächsten sind wie Partnerin Jackie und ihr bester Kollege Seth. Letzteren verdächtigt sie, der killenden Cop zu sein.

Während Betty ihre Ängste und Frustrationen mit Jameson ertränkt, scheint Seth tatsächlich ein Problem mit Drogen zu haben. Was in dem Job gar nicht so ungewöhnlich ist. „Es gibt so einen Spruch, dass es bei der Drogenfahndung läuft wie auf der Peststation“, heisst es einmal. „Es erwischt dich vielleicht nicht heute, und vielleicht auch nicht morgen, aber irgendwann wird die Krankheit auch dich erwischen. Wenn dich das Geld nicht weichmacht, dann die Drogen oder die Hoffnungslosigkeit. Oder gleich alle drei. Manchmal wirst du wieder gesund. Manchmal nicht.“

Illusionslos und direkt erzählt Kent in ihrer schnellen und actionreichen Geschichte auch vom Leid, das Drogen in Familien bringt, vom trostlosen Leben Obdachloser, von der Sisyphusarbeit der Drogen-Cops. Da gibt es viel Brutalität und Tristesse. Aber auch ziemlich abgebrühten Humor. Etwa, wenn sich Betty ein Bild von einem ihrer Kollegen macht: „Ein übergewichtiger Cop, der sich jedes Jahr bei der Weihnachtsfeier als fetter Elvis verkleidet und dessen Alltag ansonsten von KKK bestimmt wird: Knarre, Kirche, Karohemd.“

 .

Wertung: 4,2 / 5

Kathleen Kent: Der Weg ins Feuer
(Original: The Burn. Mulholland Books, New York 2020)
Aus dem Englischen von Andrea O’Brien
Suhrkamp, Berlin 2023. 360 Seiten, 16,95 Euro/ca. 25 Franken

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Bild: kathleenkent.com

Kathleen Kent,

geboren 1953 in Meadville im US-Bundesstaat Pennsylvania, ist in Dallas aufgewachsen und besuchte die University of Texas. Während 20 Jahren arbeitete sie in New York im Finanzsektor. Im Rahmen einer Tätigkeit für das US-Verteidigungsministerium bereiste die die Sowjetunion. Sie hatte schon verschiedene Kurzgeschichten publiziert, und als sie im Jahr 2000 mit ihrer Familie nach Dallas, Texas, zurückkehrte, fasste sie den Entschluss, hauptberuflich zu schreiben.

2008 erschien ihr erster Roman „The Heretic Daughter“, der ein Bestseller wurde. Es ist ein historischer Roman wie auch die beiden folgenden Titel „The Traitor’s Wife“ und „The Outcasts“. „Meine erste Liebe galt immer den historischen Romanen“, schreibt Kathleen Kent auf ihrer Homepage, „aber als ich gebeten wurde, eine Kurzgeschichte für die zeitgenössische Krimianthologie ,Dallas Noir’, beizusteuern, war ich von der Hauptfigur, Detective Betty Rhyzyk, so fasziniert, dass ich die Geschichte zu einem ganzen Roman weiterentwickelte.“ Dieser, «The Dime» (2017), erschien 2021 als erstes Buch von Kent auf Deutsch: «Die Tote mit der roten Strähne». Jetzt ist die Fortsetzung «The Burn» (2020) auf Deutsch erschienen: „Der Weg ins Feuer“. Beide Romane waren für den Edgar nominiert. „The Pledge“ (2021) vervollständigt die Betty-Rhyzyk-Trilogie. Im Februar 2023 veröffentlichte sie den Spionagethriller „Black Wolf“.

Kathleen Kent lebt in Dallas, Texas.


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