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Der Killer als Künstler

Der erste Satz
Father Howard Terry war kurz vorm Einschlafen, als an seiner Wohnzimmerdecke orangefarbene Lichtsplitter aufblitzten und mit ihren messerscharfen Spitzen auf sein Buchregal einhieben.

Krimi der Woche∙ N° 05/2022 ∙ Hanspeter Eggenberger

„Der gute Cop“ hiess der erste auf Deutsch erschienene Thriller des kanadischen Autors Scott Thornley. Der Titel bezog sich auf die Hauptfigur, Detective Superintendant MacNiece, den alle nur Mac nennen. Als den „Wayne Gretzky der Mordkommission“ beschreibt ihn ein Kollege im neuen Roman (für nicht Sport-Affine: Gretzky, eine Legende, war Kanadas erfolgreichster Eishockeyspieler). Der deutsche Titel des neuen MacNiece-Thrillers bezieht sich auf den Täter, den Mac jagt: „Der gute Killer“.

Gut ist der Mörder insofern, als seine Opfer zu Lebzeiten zu der eher unangenehmen Sorte von Menschen gehörten. So böse aber, dass sie gleich den Tod verdient hätten, waren sie kaum. Der Mörder mag sie wegen ihrem Verhalten ausgesucht haben, aber es geht im offenbar weniger um eine Bestrafung. Sondern um seine Kunst: Die Leichen dienen ihm dazu, berühmte Kunstwerke dreidimensional nachzustellen. Am ersten Fundort vermutet Mac zunächst eine Art Bühnenbild. Dann erkennt der Detective, dass der Buchstabe B aus Messing nicht zufällig irgendwo auf dem Boden liegt, sondern den richtigen Blickwinkel anzeigt. Das Bild, dass sich ihm da bietet, kommt ihm bekannt vor. Er das Foto davon Kunstexperten, die es schnell zuordnen können: Es ist eine Nachstellung der berühmten Lithografie „Rue Transnonain, le 15 avril 1834“ von Honoré Daumier. Es werden weitere akkurat nach anderen Kunstwerken arrangierte Leichen gefunden. Nicht nur die von den Polizisten beigezogenen Kunstexperten, auch ein Pariser Galeristinnenpaar ist beeindruckt von den Werken des Killers.

Das Kriminalliteratur-Subgenre der Serienkillerthriller scheint, wenn man die Neuerscheinungen durchsieht, zwar kommerziell immer noch erfolgreich zu sein, künstlerisch hat es sich jedoch schon lange weitgehend totgelaufen: Die Mordmuster müssen immer noch „origineller“ werden, was bedeutet: immer abstruser.

Bei Thornley verarbeitet der Killer mit seiner Mordkunst Kriegserlebnisse, was jedoch nicht schlüssig rüberkommt. Der der Autor balanciert auf einem schmalen Grat knapp am Absturz vorbei. Was ihn gerade noch rettet ist, neben erzählerischem Können, vor allem seine Hauptfigur. MacNiece trinkt Grappa als Schlafmittel, beobachtet leidenschaftlich Vögel, spricht mit seiner an Krebs verstorbenen Frau und besucht regelmässig die Polizeipsychiaterin. Da er der erfolgreichste Mann bei den Mordermittlern ist, lassen ihm die Vorgesetzten auch eigenwillige Methoden durchgehen. MacNiece hat eine besondere Technik, um in vertrackten Fällen weiterzukommen: „Ich muss denken, wie der Täter denkt.“

Wertung: 3 / 5

Scott Thornley: Der gute Killer
(Original: Vantage Point. House of Anansi Press, Toronto/Canada 2018)
Aus dem Englischen von und Andrea O’Brien
Suhrkamp, Berlin 2022. 400 Seiten, 16,95 Euro/ca. 25 Franken

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Bild: Malcolm. Lewis

Scott Thornley,

geboren 1943, ist in der nahe der Grenze zu den USA am Ontariosee gelegenen kanadischen Stadt Hamilton aufgewachsen. Die Stadt inspirierte ihn zu Dundurn, dem fiktiven Handlungsort seiner Kriminalromane.

Er ist seit mehr als fünfzig Jahren im Bereich Werbung, Marketing und Branding tätig. Seit 1990 ist er Inhaber und Creative Director der eigenen Marketing- und Werbeagentur STC Scott Thornley + Company in Toronto, die insbesondere für Kunden aus den Bereichen Kultur, Bildung und Gesundheit in Kanada, in den USA und in Grossbritannien tätig ist. Er hat mehr als 175 internationale Designpreise gewonnen und ist in die Royal Canadian Academy of Arts aufgenommen worden.

Bevor er selber mit dem Schreiben von Romanen begann, habe er keine Krimis gelesen, sagte er 2011 im Gespräch mit der kanadischen Zeitung „The Star“, als er mit 67 Jahren sein Debüt „Erasing Memory“ veröffentlichte. Thornley war an der Gestaltung der Website für den Roman „The Year of the Flood“ (2009; Deutsch: „Das Jahr der Flut“, Berlin Verlag) der berühmten kanadischen Autorin Margaret Atwood beteiligt, und sie stellte ihn einem Literaturagenten vor, was schliesslich zur Veröffentlichung seines Romans führte.

Sein zweiter Roman mit Detective Superintendent MacNeice, „The Ambitious City“ (2012) erschien 2020 unter dem Titel „Der gute Cop“ auf Deutsch. Bisher veröffentlichte Thornley vier MacNeice-Romane. „Der gute Killer“ ist jetzt der zweite Tittel auf Deutsch, das Original „Vantage Point“ (2018) ist der vierte Roman der Reihe.

Zusammen mit seiner Frau, der bekannten kanadischen Architektin Shirley Blumberg, lebt Scott Thornley in Toronto und im Südwesten Frankreichs. Sohn Ian Thornley, Gitarrist, Sänger und Songwriter, gründete 1994 während dem Studium am Berklee College of Music in Boston die Rockband Big Wreck, die nach wie vor aktiv ist.


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