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Ein Gangster wird Immobilienmogul

Der erste Satz
In den frühen Morgenstunden des 19. März, drei Tage vor Ostern, wird im Eimsbütteler Park am Weiher die Leiche eines Jugendlichen entdeckt.

Krimi der Woche ∙ N° 45/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

Als Ivo nach fünf Jahren im Knast auf den Hamburger Kiez zurückkommt, ist sein Sohn tot. Drogen, heisst es. Doch der Vater, der sich zu dessen Lebzeiten nicht um den Teenager gekümmert hat, will es genauer wissen. Derweil nimmt er seine Arbeit für seinen „Blutsbruder“ Nicolai Radu, wie er aus Rumänien stammend, wieder auf. Radu ist gerade daran, von Sexgeschäft, Drogenhandel, Mord und Totschlag, Schutzgelderpressung und Geldwäscherei zum Immobilienmogul aufzusteigen. Pflegt beste Kontakte zu Politik, Medien und Geldadel in der Hafenstadt, spielt aber weiter eine führende Rolle im organisierten Verbrechen verankert. Hat er womöglich auch mit Tod von Ivos Sohn zu tun?

Mit 77 Jahren zeigt sich Altmeister Frank Göhre in brillanter Form. Sein neuer Roman „Die Stadt, das Geld und der Tod“ ist schon stilistisch ein eindrücklicher Wurf. Mit kurzen, schnörkellosen Absätzen, knapp und präzise beschreibend, und mit knackigen Dialogen reiht er Szene an Szene. Filmisch, mit harten Schnitten. Gerade mal 150 Seiten braucht er, um eine komplexe Gangstergeschichte zu erzählen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die schon im Titel erwähnte Stadt. „In Hamburg bleibt alles wie seit Jahren schon, verfilzt und korrupt“, heisst es einmal. Das ist der Boden, auf dem die Geschäfte von skrupellosen Berufskriminellen wie Radu bestens gedeihen. Dass der Buchtitel an denjenigen eines Theaterstücks von Rainer Werner Fassbinder von 1975 erinnert, ist sicher kein Zufall. „Der Müll, der Stadt und der Tod“ (1976 vom Schweizer Regisseur Daniel Schmid unter dem Titel „Schatten der Engel“ verfilmt) spielte, wie es bei „Wikipedia“ auf den Punkt gebracht wird, „in der düsteren Atmosphäre einer maroden, verrotteten Stadt, bei deren Sanierung sich Politiker und Immobilienspekulanten gegenseitig in die Taschen arbeiten, unterstützt vom korrupten Polizeipräsidenten“. Da lieferte Frankfurt die Vorlage. Wenn es nach Göhre geht, war das in Hamburg, wo er seit 40 Jahren lebt, „im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends“ kaum anders.

Die politischen Implikationen dienen Göhre dazu, das Klima zu umreissen, in dem Figuren wie der Gangster Radu ihre Geschäfte betreiben können. Banker und Politiker unterstützen ihn, damit auch für sie etwas abfallen möge. Ein Politthriller ist „Die Stadt, das Geld und der Tod“ deswegen aber nicht. Der Plot bleibt bei der düsteren Gangsterstory, zeichnet mit scharfen Beobachtungen und Ironie den unaufhaltsamen Weg ins Verderben. Das ist ein Noir-Roman, wie man ihn auf Deutsch sonst nicht kennt: schnell, hart dreckig.

Wertung: 4,5 / 5

Frank Göhre: Die Stadt, das Geld und der Tod
CulturBooks, Hamburg 2021. 159 Seiten, 15 Euro/ca. 23 Franken

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Bild: Wikimedia

Frank Göhre,

geboren 1943 in Tetschen-Bodenbach im Sudentenland, heute Tschechien, wuchs in Bochum auf. Nach einer kaufmännischen Lehre machte er eine Lehre als Buchhändler. Er arbeitete dann in Bochum, Köln und Essen als Buchhändler und Bibliothekar und in Verlagen. Für den Willi-Weismann-Verlag in München war er ab 1977 als Lektor tätig.

1971 veröffentlichte er sein erstes Buch „Costa Brava im Revier“. Inzwischen hat er neben zahlreichen Romanen und Erzählungen auch einige Drehbücher geschrieben, darunter für die TV-Reihe „Tatort“. Zusammen mit Regisseur Carl Schenkel zeichnete er für das Drehbuch des Kinofilms „Abwärts“ (1984) verantwortlich. Für „St. Pauli Nacht“ (1997) von Sönke Wortmann wurde er mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichnet.

Sein erster Kriminalroman, „Der Schrei des Schmetterlings“ (1986), der erste Band seiner Kiez-Trilogie, wurde mit dem Deutschen Krimipreis geehrt. Diesen Preis erhielt er auch für die Kriminalromane „Der Auserwählte“ (2010) und „Verdammte Liebe Amsterdam“ (2020).

Frank Göhre hat sich intensiv mit dem Schweizer Schriftsteller Friedrich Glauser (1896–1937) auseinandergesetzt, der als Vater der modernen deutschsprachigen Kriminalliteratur gilt. In den 1980er Jahren hat er Glausers Werke neu herausgegeben. 2009 veröffentlichte er im Zürcher Unionsverlag unter dem Titel „Mo“ den „Lebensroman des Friedrich Glauser“. Sein Interesse an grossen Meistern der Kriminalliteratur zeigen auch die zusammen mit Alf Mayer geschriebenen Bücher über Ed McBain („Cops in the City“, 2016) und über Elmore Leonard („King of Cool“, 2019).

Seit 1981 lebt Frank Göhre als freier Autor in Hamburg.


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