Senioren auf Mörderjagd
Der erste Satz
Jemanden töten ist keine Kunst.
Krimi der Woche ∙ N° 22/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger
Ein lustiger Krimi um ein paar Bewohner einer noblen Seniorenresidenz in Südengland. Ein Millionseller in Grossbritannien. Kann das überhaupt gut sein? Mehr als nur eine Nachtlektüre, die auch leicht zu erschreckende Mitmenschen noch gut schlafen lässt? Es kann.
Grosse Kriminalliteratur ist „Der Donnerstagsmordclub“ nicht. Das Romandebüt des bekannten 50-jährigen, vor allem auf Quizsendungen spezialisierten englischen TV-Moderators und -Produzenten Richard Osman ist aber, abgesehen von ein paar Längen, durchaus unterhaltsam und dabei keineswegs durchgehend harmlos. Dabei ist die Geschichte recht gekonnt auf charmant und witzig getrimmt. Und sie ist so publikumsträchtig, dass sich Steven Spielberg die Filmrechte gesichert hat.
Der Club im Buchtitel besteht aus vier Bewohnern einer Einrichtung für begüterte alte Menschen. Elizabeth, die gerne etwas verschwommene Bemerkungen zu ihrer Vergangenheit als Geheimagentin einstreut, hat die Truppe zusammengebracht. Penny, die lange bei der Kripo tätig war, hat Akten von unaufgeklärten Mordfällen mit in die Pension genommen. Und damit befasst sich das Quartett, aus dem sich Penny aus gesundheitlichen Gründen bereits definitiv verabschiedet hat. Die ehemalige Krankenschwester Joyce hat sie ersetzt. Zudem gehören der Psychiater Ibrahim und der prominente frühere Gewerkschaftsführer Ron zur Truppe, die „einfach einen Heidenspass“ hat: „Ein paar Gläschen Wein und ein Kriminalfall. Sehr gesellig, aber auch blutig. Was gibt es besseres.“
Als ein Teilhaber der Seniorenresidenz brutal ermordet wird, fühlt sich der Club, der sich sonst am Donnerstag trifft, zu Aktivitäten in höher Kadenz berufen. Als kurz darauf auch der Hauptbesitzer der Residenz getötet wird, ist in der beschaulichen Alterssiedlung erst recht die Hölle los. Dank Elizabeths alten Kontakten sind die geistig rüstigen Senioren der Polizei immer mal wieder einen Schritt voraus. Das nervt die Kripoleute zwar, doch eigentlich finden sie die Rentnergang ganz lustig.
In manchen Momenten ist der Roman eine sanfte Satire auf ein Luxusaltersheim. Auch in dieser Klasse sind die Alten nicht vor der Vergänglichkeit gefeit. „Ich werde mich nicht immer ganz einwandfrei an alles erinnern, das schicke ich lieber gleich voraus“, bekennt Joyce, deren Tagebucheinträge einen Teil des Romans bilden, schon am Anfang. Und dass das Leben endlich ist, erlebt man an einem solchen Ort logischerweise immer wieder, oft auch, ohne dass jemand nachgeholfen hat. „Für jeden ertönt irgendwann der Schlusspfiff. Ist man einmal im Spiel, bleibt keine andere Tür als der Ausgang.“
Wertung: 2,5 / 5
Richard Osman: Der Donnerstagsmordclub
(Original: The Thursday Murder Club. Viking Books UK, London 2020)
Aus dem Englischen von Sabine Roth
List, Berlin 2021. 464 Seiten, 15,99 Euro/ca. 22 Franken
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Richard Osman,
geboren 1970 in Billericay in der ostenglischen Grafschaft Essex, ist in Hayward Heath in der südenglischen Grafschaft West Sussex aufgewachsen. Schon als Schüler sammelte er erste Medienerfahrung als regelmässiger Mitarbeiter einer wöchentlichen Musikshow von BBC Radio Sussex. 1989 bis 1992 studierte er Politikwissenschaften und Soziologe am Trinity College im Cambridge.
Seither war er als Produzent, Entwickler und Moderator zahlreicher TV-Shows tätig, insbesondere im Bereich Quiz und Comedy. Bis 2020 war er Creative Director beim Fernsehproduktionsunternehmen Endemol, wo er Shows wie „Deal or No Deal“ produzierte. Er trat auch selbst als Comedian auf und wirkte bei verschiedenen Sendungen als Moderator mit. Bekannt ist er vor allem als Ko-Präsentator der bekannten, von ihm konzipierten englischen Quizshow „Pointless“, die seit 2009 bei BBC läuft. Seit 2017 präsentiert er zudem seine eigene Show „Richard Osman’s House of Games“.
„The Thursday Murder Club“ ist sein erster Roman. Für die Rechte an diesem und einem zweiten Roman um die leidenschaftlichen Mordermittler in einer Seniorenresidenz in Kent bezahlte der Verlag Penguin Random House in einer Auktion, an der sich zehn Verlage beteiligten, eine siebenstellige Summe. Mit mehr als einer Million verkauften Exemplaren wurde das Debüt ein Bestseller. Inzwischen hat Steven Spielberg die Filmrechte gekauft.
Osman leidet seit Geburt an Nystagmus, einem Augenleiden, dass sein Sehvermögen erheblich einschränkt. Da er dadurch Mühe hat, von einem Teleprompter abzulesen, lernt er seine Moderationen auswendig. Er hat aus einer Ehe, die 2007 geschieden wurde, eine 18-jährige Tochter und einen 20-jährigen Sohn. Eine Zeitlang war er mit der Jazzsängerin Sumudu Jayatilaka liiert. Sein Bruder Mat Osman ist der Bassist der bekannten englischen Band Suede.