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Tod und Teufel und Verführung

Der erste Satz
Die Glaskugel schimmert in allen Blautönen von Lila bis Türkis, die Farben zappeln und schwimmen und gehen ineinander über, es ist ein hübsch arrangiertes Dekorations-LSD und es gibt keinen Zweifel, dass der ganze Zinnober nur passiert, weil die Kugel ein Kabel hat und das Kabel einen Stecker, und weil der Stecker in einer verdammten Steckdose steckt, aber die Hexe behauptet trotzdem Dinge.

Krimi der Woche ∙ N° 10/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

„River Clyde“ ist bereits der zehnte Kriminalroman von Simone Buchholz mit der Hamburger Staatsanwältin Chastity Riley als Hauptfigur und teilweiser Icherzählerin. Dies soll nun aber ihr letzter Auftritt sein. Man kann problemlos mit diesem Roman erstmals in ihr faszinierendes Universum eintauchen. Riley war bisher als Staatsanwältin gerne schon bei Ermittlungen dabei, und daneben hing sie mit ihren Freunden von der Polizei, aber auch mal mit solchen von der anderen Seite des Gesetzes, gerne in Kneipen in St. Pauli herum.

Dieses Buch hat noch weniger mit üblicher Krimikost zu tun als seine Vorgänger. Die Krimihandlung, die auch sonst kaum je akkurat oder ganz nachvollziehbar ausgebreitet wurde, bleibt hier noch fragmentarischer als sonst. Riley hat diesmal nichts mit aktuellen Fällen zu tun. Nach einem Ereignis im Vorjahr, bei dem ein befreundeter Polizist ums Leben kam, ist sie freigestellt, wie auch ein paar ihrer Freunde. Und da bekommt sie aus Glasgow einen Brief, dass sie die Erbin eines Hauses in Schottland sei. „Das letzte Jahr hat mich erschüttert, der Brief in meiner Hand hat mich schon vor Stunden sturmreif geschossen, die Musik und der Gin erledigen jetzt den Rest. Ich stand ja noch nie auf besonders festem Grund.“

Die freigestellten Polizisten in Hamburg üben sich neben dem Saufen in seltsamen Kuschelritualen. Stepanovic, der Riley sehr zugetan ist – und sie ihm eigentlich auch –, ist wieder im Dienst. Dass ein paar Immobilienhaie ganze Strassenzüge abfackeln und sich gegenseitig umbringen, geht ihm ziemlich am Arsch vorbei. Ihn beschäftigt mehr, dass Riley nach Schottland gereist ist.

In Glasgow fühlt sich Riley sofort heimisch; auch hier sind, wie in St. Pauli, obskure Schenken ihre Sehnsuchtsorte. Wo sie mit viel Bier und Whisky versucht, sich mit ihren schottischen Wurzeln auseinanderzusetzen. Im kalten Loch, wie in Schottland Gewässer genannt werden, an dem das Haus der ihr unbekannten verstorbenen Tante steht, scheinen Meerjungfrauen zu leben: „Es hört sich an, als würden die Nixen unter Wasser reden, über Eismeerjungfrauensachen, über Tod und Teufel und Verführung, über grosse Fehler und höllische Sünden und über die richtige Art zu leben oder auch nicht. Es ist unmöglich, sie zu verstehen, und doch: Ich weiss, was sie meinen. Es geht ihnen um alles.“

Die Geschichte ist, wie gewohnt bei Buchholz, ein bisschen durchgeknallt, dies aber auf charmante Art. Und sie ist voller Melancholie und Sarkasmus, brilliert mit knackigen Dialogen, poetischen Passagen und allerlei mehr oder weniger alkoholgeschwängerten Lebensweisheiten.

Wertung: 4 / 5

Simone Buchholz: River Clyde
Suhrkamp, Berlin 2021. 230 Seiten, 15,95 Euro/ca. 23 Franken

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Bild:Gerald von Foris/Suhrkamp Verlag

Simone Buchholz,

geboren 1972 in Hanau und aufgewachsen im Spessart, studierte in Würzburg Philosophie und Literatur, ohne die Studien abzuschliessen. 1996 zog sie, angeblich „wegen des Wetters“, nach Hamburg, wo sie sich an der Henri-Nannen-Schule zur Journalistin ausbilden liess. Sie arbeitete als Kellnerin, Kolumnistin und Journalistin.

Ihre ersten Buchveröffentlichungen, darunter „Der Trick ist zu atmen: Erste Liebe, erster Sex und wie du beides überlebst“ (2003) und „Gangster of Love: Warum Frauen auf die falschen Männer stehen“ (2009) waren Sachbücher über Sexualität und die Beziehungen zwischen Frauen und Männern. Sie bezeichnete einmal „Liebe, Tod und Fussball“ als ihre Themen.

2008 erschien ihr erster Kriminalroman mit der Hamburger Staatsanwältin Chastity Riley, „Revolverherz“. Nach fünf Titeln im Verlag Droemer Knaur erscheinen die Romane seit 2016 bei Suhrkamp. „River Clyde“ ist bereits der zehnte Riley-Roman, und er soll auch der letzte sein. Simone Buchholz wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem zweimal mit dem Deutschen Krimipreis: 2017 für „Blaue Nacht“, 2019 für „Mexikoring.

Simone Buchholz ist verheiratet und hat einen Sohn. Sie lebt als freie Autorin im Hamburger Stadtteil St. Pauli.


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