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Ein Teenager verschwindet im Nachkriegs-Sydney

Der erste Satz
Die sternenlose, schwarze Nacht umhüllte ihn wie die gefiederten Schwingen eines gigantischen Raben.

Krimi der Woche ∙ N° 06/2021 ∙ Hanspeter Eggenberger

„B. Walker – Privatermittlungen“ steht auf der Bürotür in einem Geschäftshaus in Sydney. Der Vorname ist nicht ausgeschrieben, damit er nicht potenzielle Kunden abschreckt. Denn wir sind im Jahr 1946, und eine Frau als Privatdetektiv ist da noch alles andere als üblich. Billie Walker war während dem Zweiten Weltkrieg als Journalistin in Europa. Zurück in Sydney hat sie nach dessen Tod die Detektei ihres Vaters übernommen.

Für die kanadisch-australische Bestsellerautorin Tara Moss war es keine Frage, dass eine Frau die Heldin ihrer neuen Serie ist, die mit dem Roman „Die Jägerin“ beginnt. Sie hat nicht nur zwei andere Krimireihen mit Protagonistinnen geschrieben, sondern setzt sich auch aktiv für die Rechte von Frauen ein. Die Geschichte, schreibt Moss in einer Nachbemerkung, sei eine Mischung „aus Familiengeschichten aus dem Zweiten Weltkrieg, meiner Faszination für die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts und der Nachkriegsgeschichte der Frauen, meiner Liebe zu den harten Krimis noirs aus dieser Zeit, meiner Liebe zu Action und zu den grossen Frauen, die dieser Zeit ihren Stempel aufgedrückt haben“.

Der Krieg ist allgegenwärtig in diesem Kriminalroman. Auf der einen Seite stehen die Erinnerungen von Billie Walker an ihre Zeit in Europa und ihre Trauer, weil sie dort den Mann, denn sie liebte, verloren hat. Sydney ist zwar weit weg von den Kriegsschauplätzen, doch auch australische Soldaten sind jetzt aus dem Krieg zurückgekehrt, manche versehrt. Und sie drängen nun zurück in Jobs, die in der Zwischenzeit von Frauen übernommen worden sind.

Billie Walkers aktueller Fall scheint einfach zu sein: Ein Siebzehnjähriger aus einer aus Deutschland geflohenen Familie ist verschwunden. Zusammen mit ihrem Assistenten Samuel Baker beginnt sie mit Befragungen und Nachforschungen. Bald stellt sich die Frage, was oder wen der Junge in einem exklusiven Club gesucht hat. Die Spuren führen zu einem Auktionshaus, in dem edler Schmuck, Kunst und Antiquitäten unter den Hammer kommen. Da spielt wieder der Krieg in die Geschichte hinein. Und Billie Walker wird brutal bedroht.

Tara Moss weist auf die umfangreichen Recherchen für den Roman hin. Die spürt man bei der Lektüre durch interessante Details, doch sie führen vor allem am Anfang auch zu etwas langatmigen Beschreibungen. Doch dann nimmt die Geschichte mit zunehmender Spannung und Action bald Tempo auf. So wird daraus eine gekonnt erzählte feministische Variante des klassischen Hardboiled-Privatdetektivromans. Da auch politische und gesellschaftliche Themen angesprochen werden, zeichnet der Krimi zudem ein ebenso stimmiges wie kluges Zeitbild.

Wertung: 3,8 / 5

Tara Moss: Die Jägerin
(Original: Dead Man Switch [in den englischsprachigen Gebieten ausserhalb Australiens: The War Widow],
HarperCollins Publishers Australia, Sydney 2019)
Aus dem Englischen von Wolfgang Thon
Aufbau Verlag, Berlin 2021. 404 Seiten, 9,99 Euro/ca.  16 Franken

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Bild: Berndt Sellheim

Tara Moss,

geboren 1973 in Victoria, Kanada, begann mit 14 Jahren als Model zu arbeiten, blieb aber nicht lange dabei. In Australien, ihrer zweiten Heimat, arbeitete sie als Journalistin und Moderatorin, unter anderem für die True-Crime-Doku-Serie „Tough Nuts – Australia’s Hardest Criminals“, und sie hatte eigene Sendungen wie „Tara Moss Investigates“, „Tara in Conversation“ und „Cyberhate with Tara Moss“

Seit 1999 hat sie 13 Bücher veröffentlicht, die in Australien zu Bestsellern wurden und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Es begann mit der sechsteiligen Romanserie mit der feministischen Heldin Makkedde Vanderwall, darauf folgten vier Romane mit Pandora English. Zwischendurch publiziertes sie auch zwei Sachbücher, „The Fictional Woman“ und „Speaking Out: A 21st Century Handbook for Women and Girls“. Der jetzt auf Deutsch erschienene Roman „Die Jägerin“ ist der Auftakt zu einer neuen Serie mit der Privatermittlerin Billie Walker in Sydney in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Tara Moss engagiert sich für Menschenrechte und die Rechte von Frauen, Kindern und Menschen mit Behinderungen. Auf ihrem Instagram-Account befasst sie sich mit Behinderung, chronischen Schmerzen und Mobilitätshilfen. Seit einer Hüftverletzung im Jahr 2016 geht sie an einem eleganten Gehstock, den sie „Wolfie“ nennt, wenn sie nicht sogar im Rollstuhl unterwegs ist.

Tara Moss ist kanadische und australische Staatsbürgerin. Seit 2009 ist sie in dritter Ehe mit dem australischen Schriftsteller, Philosophen und Fotografen Berndt Sellheim verheiratet; sie haben eine neunjährige Tochter. Die Familie lebt derzeit in Victoria, der Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia.


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