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Neun Killer in einem Zug

Der erste Satz
Der Bahnhof Tokio war voll.

Krimi der Woche∙ N° 15/2022 ∙ Hanspeter Eggenberger

„Ein Zug, fünf Killer, wer kommt lebend an?“, steht auf dem Umschlag des Thrillers „Bullet Train“ des japanischen Autors Kotaro Isaka. Tatsächlich stehen sich die Killer im Shinkansen, einem Hochgeschwindigkeitszug von Tokio nach Morioka, im wörtlichen Sinn gegenseitig auf den Füssen. Ich begann eine Strichliste zu führen, als ich die Übersicht über die auftretenden mehr oder weniger professionellen Mörder zu verlieren drohte. Am Ende hatte ich nicht fünf, sondern insgesamt neun Killer gezählt.

Wahrscheinlich orientiert sich die Vermarktung des Buches an jener des gleichnamigen Films mit Brad Pitt und Sandra Bullock, der im Sommer in die Kinos kommt. Es lohnt sich sicher, (vorher) den Roman zu lesen. Denn aufgrund des Trailers ist davon auszugehen, dass für den Film nicht nur primär die Actionteile des Buches übernommen wurden, sondern diese auch noch ziemlich verschärft wurden. Und Typen wie Pitt und Bullock kommen im Roman nicht vor, da sind alle Figuren Japanerinnen und Japaner. Die Gewalt kommt im Buch auch auf leiseren Sohlen daher, als sie die Filmvorschau zeigt. Und für die im Roman geführten teils aberwitzigen semiphilosophischen Diskussionen über das Töten von Menschen wird in der Kinoversion kaum Zeit sein.

Es ist eine ziemlich durchgeknallte Geschichte, die Isaka in seinem im Original schon vor zwölf Jahren erschienen Roman erzählt. Zu den Killern im Zug gehört ein seltsames Duo, das einem grossen Gangsterboss seinen entführten Sohn und den für seine Befreiung nicht benötigten Geldkoffer zurückbringen sollen. Ein anderer Killer, der unter einer nicht enden wollenden Pechsträhne leidet, soll ihnen, womöglich für denselben Auftraggeber, den Geldkoffer abnehmen. Ein vierter Killer will im Zug den 14-Jährigen töten, der seinen Sohn von einem Dach geschubst hat. Der Schüler selbst ist auch nicht unerfahren im Töten und ein kleiner Meister in Manipulation, und ihn treibt die Frage um, warum man eigentlich keine Menschen töten darf. Zudem ist offenbar irgendwer unerkannt mit einer Giftspritze im Zug unterwegs.

Über die Verwicklungen, die sich aus diesen Konstellationen ergeben und über bei Zwischenhalten zusätzlich zusteigendes bewaffnetes Personal sei hier nicht mehr verraten. Nur so viel: „Bullet Train“ ist ein sehr schräger Thriller mit viel bizarren Dialogen. Witzig, aber auch gewalttätig, denn einige der Protagonisten gehen im Zug tatsächlich ihrem Handwerk nach. In einer Zugstoilette stapeln sich jedenfalls die Leichen, wenn der Zug in Morioka ankommt. Und dort wartet der grosse Gangsterboss persönlich auf dem Perron.

Wertung: 3,8 / 5

Kotaro Isaka: Bullet Train
(Original: Mariabitoru. Kadokawa, Tokio 2010)
Aus dem Japanischen von Katja Busson
Hoffmann und Campe, Hamburg 2022. 381 Seiten, 14,99 Euro/ca. 33 Franken

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Bild: Osamu Hoshikawa

Kotaro Isaka,

geboren 1971 in Matsudo, einer Grossstadt nordöstlich von Tokio in der japanischen Präfektur Chiba, studierte Rechtswissenschaft an der Universität Tōhoku in Sendai, einer der renommiertesten staatlichen Hochschulen Japans. Danach war er zunächst als Systemingenieur tätig.

Im Jahr 2000 wurde er für seinen Debütroman mit dem Shincho-Mystery-Club-Preis ausgezeichnet und wurde hauptberuflicher Schriftsteller. Inzwischen hat mehr als zwei Dutzend Romane veröffentlicht und gilt als einer der international erfolgreichsten Krimiautoren Japans. Sein Werk wurde in Japan und auch in Frankreich mit mehreren Preisen ausgezeichnet, und mehr als die Hälfte seiner Romane wurden verfilmt. Ausser auf Französische erschienen mehrere seiner Bücher auch auf Chinesisch, Koreanisch, Thai, Englisch, Italienisch und Russisch. „Bullet Train“ ist sein erster Roman, der auf Deutsch erscheint.


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